Eine junge Frau in Sportkleidung mit einem Ball in den Händen

„Wenn man will, findet man immer Zeit“

Gila Hoch|18.08.2025

Anja Brezing studiert an der Hochschule Heilbronn Logistik- und Mobilitätsmanagement, spielt in der 1. Bundesliga beim TV Stammheim Faustball und arbeitet nebenbei als Werkstudentin in der Logistik-Branche. Kürzlich wurde sie mit dem Spitzensport-Stipendium der Heilbronner Hochschulen ausgezeichnet. Dass es die eher unbekannte Sportart eigentlich schon sehr lange gibt und dass sie trotz vollem Terminkalender noch Zeit hat, Freund*innen zu treffen, hat sie HHN-PR-Redakteurin Gila Hoch im Gespräch verraten. (Titelbild: Anja Brezing. Foto: Nico Kurth / Spitzensport-Stipendium)

Wann haben Sie angefangen Faustball zu spielen?

Als ich ungefähr 6 oder 7 Jahre alt war. Davor war ich im Sportverein in allgemeinen Ballspielgruppen für kleinere Kinder.

Waren Sie schon immer beim TV Stammheim?

Ja. Das ist mein Heimatverein, dort wohne ich auch um`s Eck.

Dann kamen Sie über die Ballspielgruppen zum Faustball?

Genau. Ballsportarten fand ich schon immer toll und da es in Stammheim sonst nicht so viele Möglichkeiten gab, hat meine Mutter vorgeschlagen, ich solle Faustball ausprobieren. Es hat mir direkt Spaß gemacht und seitdem bin ich dabeigeblieben.

Könnten Sie mir bitte einmal die Regeln von Faustball grob erklären?

Faustball ist ein Rückschlagspiel, ähnlich wie Volleyball. Es gibt wie beim Volleyball eine Leine, über die der Ball geschlagen werden muss. Bei uns Frauen ist diese auf 1,90 Meter gespannt. Es gibt aber natürlich auch Unterschiede zum Volleyball. Das Spielfeld beim Faustball ist beispielsweise deutlich größer. In der Winterrunde spielen wir in der Sporthalle mit einem Feld von 20 auf 20 Meter. Der Ball darf nur mit einem Unterarm gespielt werden. Der Ball darf drei Kontakte haben und er darf zwischen den Berührungen jeweils einmal auf dem Boden aufkommen, bevor er dann mit der Faust über die Leine gespielt wird. Im Sommer spielen wir draußen auf dem Rasen, da ist das Feld dann nochmals 5 Meter länger. Wir spielen auch nur mit 5 Leuten, im Vergleich zum Volleyball.

Was macht Ihnen an der Sportart besonders viel Spaß?

Am meisten Spaß macht die Gemeinschaft in der Mannschaft. Ich spiele jetzt seit fast 10 Jahren mit ungefähr den gleichen Leuten zusammen und dieses Team ist wirklich wie eine zweite Familie. Man trainiert mehrmals in der Woche zusammen und verbringt viel Zeit zusammen. Der Sport an sich macht natürlich auch super viel Spaß.

Was war bis jetzt Ihr größter Erfolg beim Faustball?

In den letzten Jahren war das auf jeden Fall die Deutsche Meisterschaft. Ich war 2024 beim Qualifikationsspiel dabei. Es war wirklich eine großartige Kulisse in einem großen Stadium. Das hat sehr viel Spaß gemacht.

Können Sie den TV Stammheim bitte einmal für mich einordnen? Gehört der zu den sehr guten Vereinen?

Wir haben uns auf jeden Fall in der Bundesliga etabliert. Unsere Frauen- und Männermannschaften spielen beide in der ersten Bundesliga. Sowohl in der Halle als auch auf dem Feld. In den letzten Jahren war es etwas ein Auf und Ab zwischen der ersten und der zweiten Liga, mittlerweile sind wir aber ganz gut im Oberhaus angekommen. Der TV Stammheim ist deutschlandweit bekannt und richtet auch Großveranstaltungen, wie zum Beispiel ein jährliches großes Turnier, aus.

Gibt es denn viele Vereine in Deutschland oder ist das eher ein Nischensport?

Es gibt schon relativ viele Vereine, die sind aber häufig unbekannt und in kleineren Dörfern vertreten. Es gibt aber auch Hochburgen, wie beispielsweise den Schwarzwald, wo es mehr Mannschaften gibt. Aber allgemein ist Faustball schon eher eine Nischensportart. Es wäre toll, wenn Faustball in der Gesellschaft deutlich bekannter wäre. Es ist eine sehr alte Sportart, aber heutzutage ist Faustball leider gar nicht mehr bekannt. Es wäre schön, wenn Faustball mehr in die Öffentlichkeit rücken würde.

Wird Faustball auch im Fernsehen übertragen?

Tatsächlich wurden in den letzten Jahren immer mal wieder ein paar Spiele gezeigt. Dieses Jahr finden in China die World Games im Faustball statt. Der große Hype bleibt allerdings leider aus.

Haben Sie wegen des hohen Pensums an Training und Studium schon einmal darüber nachgedacht aufzuhören?

Tatsächlich nie. Ich muss Sport machen, mich bewegen, das macht mir einfach Freude. Ich brauche diesen Ausgleich zum Studium oder zur Arbeit. Und es macht mir wahnsinnigen Spaß – wieso sollte ich dann aufhören?

Wieso haben Sie sich für das Studium für Logistik- und Mobilitätsmanagement entschieden?

Ich habe 2019 eine Ausbildung zur Speditionskauffrau gemacht und auch zwei Jahre in diesem Beruf gearbeitet. Ich wollte studieren, um berufliche Aufstiegschancen zu haben. Ich arbeite aber nebenher noch in dem Büro, in dem ich meine Ausbildung gemacht habe.

Wie oft trainieren Sie?

Ich trainiere drei Mal die Woche, zwei Mal davon mit dem kompletten Kader und einmal gibt es ein spezifisches Angriffstraining. Zusätzlich mache ich eigenständig noch Athletiktraining. An den Wochenenden in der Saison stehen dann noch die Spieltage an, da ist man natürlich auch den ganzen Tag unterwegs.

In welchen Zeiträumen finden die Feld- und die Hallensaison statt?

Von April bis Juli ist Feldsaison und von September bis März Hallensaison. Am Anfang der Saisons ist eher noch eine Art Vorbereitungsphase um wieder reinzukommen, das heißt es gibt Turniere ausschließlich zur Vorbereitung und keine richtigen Spieltage.

Hat bei der Wahl Ihres Studienortes auch Ihre sportliche Aktivität eine Rolle gespielt?

Ja, schon. Für mich war klar, dass ich nicht weg ziehe möchte, damit ich regelmäßig zum Training gehen und bei meinem Verein bleiben kann. Ich wohne in Stuttgart und bin mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln circa eine Stunde zur Hochschule unterwegs. Das ist schon manchmal schwierig, aber ich versuche die Zeit im Zug sinnvoll zu nutzen.

Hilft Ihnen das Spitzensportstipendium dabei den schwierigen Spagat zu meistern?

Ja auf jeden Fall. Bei Vorlesungen oder wichtigen Terminen der Hochschule am Wochenende, die ich wegen Spielen oder Training nicht wahrnehmen kann, sprechen die Verantwortlichem vom Spitzensportstipendium mit den. Das ist eine super Unterstützung.

Haben Sie das Gefühl, dass durch das Stipendium die Achtsamkeit bei den Lehrenden gestiegen ist?

Ja, ich denke schon, etwas Offizielles wird eben besser anerkannt. Die Professoren sind dann schon offener dafür.

Sie arbeiten noch nebenbei, was machen Sie genau?

Ich bin angestellte Werkstudentin in einem Speditions- und Logistikbüro. Ich arbeite circa 15 Stunden in der Woche.

Wissen Sie bereits, was Sie beruflich mal machen möchten? Haben Sie vor, in der Branche zu bleiben?

Genau weiß ich es noch nicht, in der Branche bleiben aber auf jeden Fall – die gefällt mir nämlich sehr gut.

Sammeln Sie etwas?

Nicht unbedingt. Manchmal 2-Euro-Sondermünzen. Ich bin da aber nicht sonderlich hinterher. Wenn ich eine bekomme, dann gucke ich sie mir aber schon an.

Fahren Sie eher mit der Bahn oder mit dem Auto?

Zur Hochschule fahre ich eher mit dem Zug, allein schon wegen der Kosten. Zu Vorlesungen am Wochenende fahre ich oft aus zeitlichen Gründen mit dem Auto. Privat versuche ich so oft es geht das Fahrrad zu nehmen, da ist es ganz praktisch, dass ich meinen Verein auch in der Nähe habe.

Schaffen Sie es neben den ganzen Aktivitäten noch, Freund*innen zu treffen?

Tatsächlich habe ich meine engsten Freunde im Verein. Wir verbringen viel Zeit gemeinsam. Ich sehe aber auch meine anderen Freunde regelmäßig. Man muss es gut planen, aber wenn man will, findet man immer Zeit, auch mal zum Nichtstun.

Was ist Ihr Lieblingsessen?

Im Sommer liebe ich es zu grillen, da ist von allem etwas dabei.

Gibt es einen Snack den Sie bei Wettkämpfen oder beim Training häufig dabeihaben?

Bananen oder Energy-Riegel zwischen den Spielen sind für mich das Wichtigste, um genügend Kraft und Energie zu haben.

Würden Sie gerne in der Nationalmannschaft spielen?

Ja definitiv! In der Jugend gab es Perspektiv-Lehrgänge, bei denen ich auch teilweise dabei war. Es ist immer noch mein größtes Ziel, in die Nationalmannschaft reinzukommen oder zumindest nochmal auf Lehrgänge eingeladen zu werden.

Sportlicher Lebenslauf

Ballsportarten und dem TV Stammheim ist Anja Brezing treu, seit sie bei den Ballspielgruppen im Kinderturnen mitmachen konnte. Seit sie 6 Jahre alt ist, spielt sie Faustball.

Aktuell spielt sie bei der Damenmannschaft des Vereins in der 1. Bundeliga. In früheren Jahren war sie bereits Mitglied der Jugendnationalmannschaft. Mit dem TV Stammheim konnte sie sich 2024 für die Deutsche Meisterschaft qualifizieren.

Anjas nächstes Ziel ist die Nominierung für die deutsche Nationalmannschaft.