Ein junger Mann mit rotem Trickot und blauen Boxhandschuhen in Boxsposition

„Meine Freunde nennen es die Ali-Phase“

Gila Hoch|20.10.2025

Ali Al-Shamarti hat ein klares Ziel vor Augen: Er will Profiboxer und Weltmeister werden. Dafür trainiert er täglich bei seinem Verein SV Heilbronn am Leinbach. An der Hochschule Heilbronn (HHN) studiert er Business Engineering Logistics (BEL). Warum er sich für dieses Studium entschieden hat und was seine Freunde die „Ali-Phase“ nennen, verrät er im Interview mit HHN-PR-Redakteurin Gila Hoch.

In welchem Alter haben Sie mit dem Boxen angefangen?

Mit Kampfsport generell habe ich mit 12 Jahren angefangen. Zuerst mit Kickboxen, das habe ich so 1 bis 2 Jahre lang gemacht. Danach habe ich zum Boxen gewechselt. Das gefällt mir besser. Es ist technisch anspruchsvoller. Eine gute Beinarbeit ist beim Boxen sehr wichtig. Beim Kickboxen geht es eher darum, möglichst schnell viele Treffer zu erreichen, egal wie.

Wie sind Sie zum Boxen gekommen?

Mein Vater ist gestorben als ich 11 Jahre alt war. Ich habe damals etwas gesucht, mit dem ich mich etwas ablenken kann. Ein Freund von mir hat geboxt und der hat mich mitgenommen. Danach hat sich alles schnell entwickelt, ich wollte gar nicht mehr aufhören und war gleich komplett drin (lacht).

Was macht Ihnen am Boxen besonders viel Spaß?

Besonders die Herausforderung und der Adrenalinrausch kurz bevor man in den Ring steigt. Das Gefühl ist wirklich schwer zu beschreiben.

Haben Sie vor den Kämpfen auch Angst, beziehungsweise Respekt?

Schon auch. Beim Boxen kann einfach alles passieren, egal wie gut man vorbereitet ist. Einmal nicht aufgepasst und ein Schlag haut einen um. Aber mit der Zeit lernt man, mit dieser Angst umzugehen. Mittlerweile bin ich entspannter und habe mehr Selbstvertrauen.

Haben Sie dafür spezielle mentale Strategien?

Tatsächlich ja. In der Woche vor einem Kampf, gehe ich immer wieder innerlich verschiedene Szenarien durch und stelle mir vor, wie es sich anfühlt, wenn ich gewinne. Direkt vor dem Kampf nehme ich mir auch nochmal ein paar Minuten Zeit, um mich zu sammeln und mich auf das zu besinnen, was ich kann.

Was war bisher Ihr größter Erfolg?

Ich bin bisher zwei Mal Baden-Württembergischer Meister und einmal Deutscher Hochschulmeister geworden. Bei der Baden-Württembergischen Meisterschaft diesen Sommer bin ich leider nur Dritter geworden. Da waren aber auch wirklich Top-Gegner von der Nationalmannschaft dabei und es waren sehr knappe Kämpfe. Mit einem Sieg hätte ich mich für die Deutsche Meisterschaft qualifiziert und dann evtl. irgendwann die Chance gehabt, in die Nationalmannschaft zu kommen. Das ist mein Ziel.

Wie häufig trainieren Sie und wie verbinden Sie das mit dem Studium?

Wir trainieren täglich von Montag bis Donnerstag Boxen, Freitag und Samstag Krafttraining im Gym. Je nachdem wann ein Wettkampf ansteht, sind es 2 bis 3 Einheiten am Tag. Zum Beispiel morgens Joggen, mittags Krafttraining und abends Boxen. Sonntag ist Chill-Day. In der Klausurenphase war das sehr anstrengend für mich.

Haben Sie schon mal daran gedacht, mit dem Boxen aufzuhören?

Es gibt schon Phasen, in denen ich mich frage, warum ich das alles mache. Zum Beispiel, wenn ich viel trainiert, alle Freizeit geopfert habe und auch weiß, dass ich eigentlich ein guter Boxer bin und dann trotzdem verliere. Dann denke ich immer, ich könnte mich auch rein aufs Studium konzentrieren und mir die Schläge sparen (lacht). Aber Aufhören kommt nicht in Frage, dafür habe ich schon zu viel reingesteckt.

Was motiviert Sie in so einer Phase, trotzdem weiterzumachen?

Zum einen meine Mutter, die ich unterstützen möchte. Beim Profiboxen kann man viel Geld verdienen und es wäre mein Wunsch, das irgendwann zu schaffen. Und andererseits habe ich mir fest vorgenommen, Profi und dann auch Weltmeister zu werden.

Hilft Ihnen das Spitzensport-Stipendium dabei, die Doppelbelastung von Spitzensport und Studium zu bewältigen?

Ja. Ich hatte zum Beispiel das ganze Semester eine Tutorin für zwei Mathematikvorlesungen. Mit ihr konnte ich während des Semesters viel vorarbeiten, das hat mir sehr geholfen. Auch die finanzielle und organisatorische Unterstützung hilft mir, da ich zum Beispiel nicht nebenher arbeiten gehen kann.

Hatten Sie schon mal ein besonders lustiges oder einprägsames Erlebnis beim Boxen?

Was ich immer wieder besonders lustig finde ist, dass alle Kämpfer bis kurz vorher richtig freundschaftlich miteinander umgehen. Und kurze Zeit später im Ring schlägt man sich dann gegenseitig „die Köpfe ein“. Es gibt trotz Konkurrenz eine gute Community und in der Regel haben alle viel Respekt voreinander. Respekt ist beim Boxen sehr wichtig.

Macht sich Ihr Umfeld Sorgen, weil Sie boxen?

Meiner Mutter zum Beispiel gefällt es gar nicht. Bei jedem blauen Auge und jeder Verletzung sagt sie, ich soll aufhören. Meine Freunde ärgern mich eher, ob ich kassiert hätte. Man sollte schon aufpassen, aber das gehört halt dazu.

Warum haben Sie dich dazu entschieden, Business Engineering Logistics (BEL) an der HHN zu studieren?

Ich finde BEL perfekt, weil man dann ein absoluter Allrounder ist. Man hat Wirtschaft, Informatik, Technische Mechanik und Logistik. Also gefühlt alles. Ich wollte mich breit aufstellen und ein möglichst vielfältiges Studium. Jetzt nach den ersten Semestern kann ich selbst entscheiden, ob ich mich eher in BWL oder Technik spezialisiere. Das Studium macht mir auch wirklich viel Spaß und es gibt es in der Form sonst nicht. In Heilbronn zu bleiben hat für mich zudem vieles vereinfacht, wie die Wohnsituation und das Training bei meinem Verein in Neckargartach.

Wollten Sie schon immer studieren?

Ich habe eigentlich von ganz unten angefangen, mit einem Hauptschulabschluss. Damals hab ich mich nie so richtig reingekniet, wusste aber eigentlich dass ich es kann, wenn ich mich mal hinsetzte und lerne. Ich wollte dann unbedingt den höchsten Bildungsabschluss machen und mir beweisen, dass ich ein Studium schaffe. Ich bin auch der Einzige in meinem Freundeskreis der studiert.

Sammeln Sie etwas?

Boxhandschuhe. Ich habe mittlerweile ganz viele kaputte. Meine Mutter will die immer wegwerfen, aber ich weigere mich, da hängen so viele Erinnerungen dran (lacht).

Fahren Sie eher mit der Bahn oder mit dem Auto?

Hauptsächlich mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln. Zu Wettkämpfen fahren wir gemeinsam mit einem Kleinbus.

Kommen Sie noch dazu, Freunde zu treffen und auszugehen?

Das ist manchmal schon schwierig. Meine Freunde kennen das schon. Die Wettkampfvorbereitung nennen sie immer die „Ali-Phase“, wenn ich dann gar nicht mehr rausgehe und nicht ansprechbar bin. Aber danach habe ich auch wieder mehr Zeit für Freunde.

Was ist ihr Lieblingsessen?

Alles was Mama kocht (lacht). Wir kommen aus dem Irak, da sind gefüllte Weinblätter mit Reis und Fleisch eine Spezialität. Wenn meine Mutter das macht, dann bin ich glücklich.

Und gibt es einen Snack, den Sie beim Training oder vor Kämpfen immer dabeihaben?

Bananen und Riegel zum Beispiel. Mit Nüssen und Datteln. Für die schnelle Energie.

Sportlicher Lebenslauf

Ali Al-Shamarti boxt in der Gewichtsklasse bis 85 Kilogramm, auch „Cruisergewicht“ genannt.

Er trainiert beim SV Heilbronn am Leinbach unter den erfahrenen Trainern Alexander Seel und Rustam Rahimov.

Seine bisher größten Erfolge sind die Titel bei den Landesmeisterschaften in Baden-Württemberg: 1. Platz in der Klasse Elite im Jahr 2023 und 1. Platz in der Klasse U19 im Jahr 2022.

2025 konnte er zudem die Deutsche Hochschulmeisterschaft für die Hochschule Heilbronn gewinnen.