KI für Gemeinwohl: Neues Forschungsprojekt stärkt Gründerinnen

Vera Winkler|22.08.2023
  • Einsatz von KI soll Fairness und Resilienz für Gründerinnen erhöhen.

  • Hochschule Heilbronn macht sich stark für „Female Entrepreneurship“.


Heilbronn, August 2023. Female Entrepreneurship – also Frauen im Unternehmertum – ist ein Thema, das in den letzten Jahren immer mehr an Aufmerksamkeit gewonnen hat, da Gründungsstatistiken deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen aufweisen. „Strukturelle Ursachen und geschlechtsbezogene Bewertungsmuster führen dazu, dass Frauen seltener gründen“, erklärt Professorin Nicola Marsden, Leiterin des Forschungsprojekts „KITE II“ an der Hochschule Heilbronn (HHN). In dem Vorhaben wird eine KI-gestützte Anwendung entwickelt, die Gründerinnen dabei unterstützt, Resilienz im Umgang mit diskriminierenden Erfahrungen aufzubauen. In einer Visual Novel, also Geschichte, in die die Nutzer*innen selbst mitwirken, werden schwierige Gesprächssituationen in der Gründungsphase generiert und können interaktiv hin zu mehr Fairness gestaltet werden. Spieler*innen erkennen dabei Ausgrenzungsmuster, teilen Erfahrungen und entwickeln neue Herangehensweisen.

„Die Anwendung ist als Spiel konzipiert“, erläutert Tim Reichert, Professor für Games Engineering an der Hochschule und Co-Projektleiter von KITE II. „Wir generieren Welten, in denen die potenziellen Gründerinnen mit Situationen konfrontiert werden, die speziell für sie geschaffen sind. Allerdings nutzen wir KI nicht nur, um das Spiel zu generieren. Die KI wird auch eingesetzt, um Diskriminierungen aufzuspüren.“ So entstehen virtuelle Rollenspiele, in denen die Nutzerinnen verschiedene Strategien verfolgen und neues Verhalten ausprobieren können. Dadurch wird das Spiel zum Werkzeug zur Bewältigung realer Herausforderungen. Eine dieser Trainingsübungen ist das Gespräch zwischen einer Gründerin und einem Bankmitarbeiter. Auf diesem Erkennungsprozess, folgt daraufhin das Verhaltenstraining, das den Frauen aufzeigt, welches andere Verhalten möglich gewesen wäre. „Im echten Leben wird den Frauen häufig erst später klar, dass es sich um Diskriminierung gehandelt hat. Und oft kann eine einzelne Person nicht wissen, ob es sich um stereotype Zuschreibungen auf Basis ihres Geschlechts oder um eine individuelle Reaktion auf sie als Person handelt“, führt Nicola Marsden aus. „Das Austesten verschiedener Verhaltensweisen auf diskriminierende Aussagen kann Spieler*innen helfen, widerstandsfähiger zu werden und die Kontrolle über die Situation zu übernehmen.“ 

Und auch die Wegbereiter*innen und Begleiter*innen der Gründer*innen können lernen. Basierend auf der Forschung zu impliziten Verzerrungen der Wahrnehmung erfolgt diskriminierendes Verhalten, z.B. beim Bankberater, bei der Notarin oder beim Investor nicht absichtlich. Und wird es erkannt, kann es unterbrochen werden. Alle am Gründungsprozess Beteiligten können so mit KITE II das eigene Verhalten reflektieren und Diskriminierung unterbinden.“ Aus all diesen geteilten Erfahrungen und Daten, ergibt sich ein großes Netzwerk, in welchem ein reger Austausch unter den Gründerinnen stattfinden und aus welchem geschöpft werden kann.

Hintergrund

Im abgeschlossenen Vorhaben KITE I wurden durch engagierte Thinktanks innovative Ideen für eine technische Anwendung im Bereich weibliches Unternehmertum entwickelt. Künstliche Intelligenz (KI) analysierte Erfahrungswerte von Gründerinnen, ohne gender-spezifische Diskriminierung zu reproduzieren. Das erarbeitete Konzept bildet die Basis für das aufbauende Projekt KITE II, das das weibliche Unternehmertum mit fortschrittlichen KI-Lösungen weiter stärken und so einen wichtigen Schritt in Richtung Geschlechtergerechtigkeit in der deutschen Start-Up-Landschaft machen wird. Zwar nimmt die Anzahl an Gründerinnen von deutschen Start-Ups in den letzten Jahren stets zu, jedoch sind Frauen in diesem Ökosystem immer noch unterpräsentiert. Laut dem Deutschen Start-Up Monitor von 2022 werden 80 Prozent der Start-Ups von Männern gegründet. Immerhin 37 Prozent der Start-Ups haben inzwischen mindestens eine Frau im Gründungsteam.

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Ansprechperson

Hochschule Heilbronn – Kompetenz in Technik, Wirtschaft und Informatik

Mit rund 8.000 Studierenden ist die Hochschule Heilbronn (HHN) eine der größten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg. Ihr Kompetenz-Schwerpunkt liegt in den Bereichen Technik, Wirtschaft und Informatik. An ihren vier Standorten in Heilbronn, Heilbronn-Sontheim, Künzelsau und Schwäbisch Hall bietet die HHN mehr als 60 zukunftsorientierte Bachelor- und Masterstudiengänge an, darunter auch berufsbegleitende Angebote. Die HHN bietet daneben noch weitere Studienmodelle an und pflegt enge Kooperationen mit Unternehmen aus der Region. Sie ist dadurch in Lehre, Forschung und Praxis sehr gut vernetzt. Das hauseigene Gründungszentrum unterstützt Studierende sowie Forschende zudem beim Lebensziel Unternehmertum.