Die Region Heilbronn-Franken kann ihre Aktivitäten im außerschulischen MINT-Bereich, also Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, nun noch weiter ausbauen: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat das Projekt „MAKEitREAL“ als eines von insgesamt 22 Ideen zur Bildung eines MINT-Verbundes auserwählt. Im Fokus steht dabei die Unterstützung junger Mädchen mit Migrationshintergrund. Für diese soll in den nächsten 3 Jahren ein mobiler Makerspace aufgebaut werden, der sie in den MINT-Bereichen fördern soll. Hinter „MAKEitREAL“ steckt ein kooperatives Projekt der Stadt Heilbronn, dem Landesverband für naturwissenschaftlich-technische Jugendbildung Baden-Württemberg (natec) sowie der Hochschule Heilbronn (HHN).
HHN-Pressesprecher Torsten Robert hat mit Projektleiterin Professorin Nicola Marsden über die Chancen, die Herausforderungen und die Perspektiven des Projekts gesprochen.
Nicola Marsden: Danke für Ihre Glückwünsche! Nach einer Phase intensiver Vorbereitung und Antragsstellung, an der viele Menschen mit hohem Engagement mitgearbeitet haben, wird MAKEitREAL nun wirklich Realität. Mein erster Gedanke war das Bild, wie Mädchen voller Begeisterung an ihren Projekten arbeiten. Und dann habe ich mich darauf gefreut, den vielen Partner*innen im Konsortium die gute Nachricht zu überbringen – denn wir sind ja ein MINT-Cluster und es sind viele Akteur*innen der Region dabei.
Marsden: Unsere Makerspaces unterscheiden sich in mehreren wesentlichen Punkten von den klassischen Angeboten, die es in der Region schon gibt. Wichtigster Ausgangspunkt ist unsere Zielgruppe – Mädchen mit Migrationshintergrund im Alter von 10-16 Jahren. Diese Zielgruppe wird von den bisherigen Angeboten nur sehr unzureichend erreicht. Deshalb stehen bei uns 3 Punkte im Zentrum:
Der partizipative Ansatz: Um das Angebot konsequent an der Zielgruppe auszurichten, entwickeln wir es gemeinsam. Mädchen mit Migrationshintergrund werden durch Interviews, Befragungen und gemeinsame Entwicklung und Bewertung von Angeboten von Anfang an beteiligt. Studentinnen werden in unseren Makerspaces zudem als Mentorinnen und „Role Models“ involviert sein und die Mädchen dort anleiten.
Marsden: Durch die Digitalisierung der Gesellschaft steckt MINT heute in fast allen Berufsbildern. Das veraltete Bild von Technik auf der einen und kreativen und sozialen Tätigkeiten auf der anderen Seite ist überholt: Die Herausforderungen von morgen werden in interdisziplinären Teams bearbeitet. Die praktische Anwendung und das Gestaltungspotenzial von MINT wird in Makerspaces erlebbar. Das kann Vorbehalte abbauen und die Mädchen für diese Bereiche begeistern. Studierende als Mentorinnen und „Role Models“ sind dabei ein wichtiger Baustein. Mittel- und längerfristig werden die Mädchen dann begleitet, um anschließend weiterführende Angebote in der Region wahrzunehmen, von anderen Makerspaces bis zu Studien- und berufsvorbereitenden Angeboten, die im Idealfall zu einer Karriere im MINT-Bereich führen. Hier ist die Idee des MINT-Clusters wichtig: Wir vernetzen uns gezielt in der Region, um diesen Transfer zu erleichtern.
Marsden: Ja, das sehe ich genauso: Es geht darum, wie wir in Zukunft leben werden. Unser Miteinander, unsere Lebensräume, unsere Gesellschaft – alle Lebensbereiche werden maßgeblich digital gestaltet. Wir müssen dahin kommen, dass Frauen hier im selben Maße wie Männer mitwirken. Frauen haben oft andere Sicht- und Herangehensweisen und auch andere Ansprüche und Bedarfe, was digitale und technische Lösungen betrifft. Die meisten technischen Anwendungen werden von weißen Männern - oft unbewusst - nur für andere weiße Männer entwickelt. Die Perspektiven von Frauen und auch anderen gesellschaftlichen Gruppen wie z.B. People of Color sind stark unterrepräsentiert. Das zeigt sich dann auch im Ergebnis: Von medizinischen Geräten über Crashtest-Dummies bis hin zu Jobvermittlungsportalen – Stereotype und Vorurteile sind in vielen Produkten eingebaut und haben für Frauen oft fatale Konsequenzen.
Des Weiteren – wie Sie auch bereits angesprochen haben – ist die Digitalisierung mit steigenden Beschäftigungschancen und der Gestaltung des gesellschaftlichen Miteinanders unmittelbar verbunden. Daher ist es unabdingbar, dass Frauen hier ihre Kompetenzen und Expertise gelten machen und die Chancen, die die Digitalisierung bietet, ergreifen können.
Leider sind Mädchen und Frauen immer noch mit vielen Stereotypen konfrontiert, was ihre Interessen und Leistungen im MINT-Bereich betrifft. Auch stark männlich dominierte Angebote wirken oft abschreckend oder erzeugen bei Mädchen das Gefühl, hier nicht richtig dazu zu gehören. Hier bieten wir Mädchen einen Rahmen, in dem sie MINT fern von schulischem Noten-Druck und stereotypen Erwartungshaltungen und mit Bezug zum eigenen Leben und den eigenen Interessen ausprobieren können. Gleichzeitig möchten wir ihnen durch unser Angebot einen Eindruck von den vielen Möglichkeiten und spannenden Themenfelder der MINT-Bereiche nahebringen und ihr Selbstbewusstsein in dieser Hinsicht stärken, getreu dem Namen des Projektes: you can MAKEitREAL.
Marsden: Ich würde zunächst fragen, was sie sich denn von ihrem künftigen Beruf versprechen. Häufig ist es so, dass Mädchen ein Bild von MINT-Berufen haben, der mit der Realität wenig zu tun hat. Ich würde Ihnen aufzeigen, dass der MINT-Themenbereich ein unglaublich vielfältiger und spannender Themenbereich ist – und ebenso vielfältig sind auch die Tätigkeiten.
Ein MINT-Beruf bietet die Gelegenheit, die Welt zu erforschen und zu verändern, komplexe Probleme im Team zu lösen – sei es durch die Erforschung von Naturphänomenen oder die Entwicklung von Maschinen, Medizintechnik oder Software. Durch eine Tätigkeit im MINT-Bereich bietet sich also die Chance, die Zukunft unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens und den Umgang mit globalen Herausforderungen wie z.B. dem Klimawandel aktiv mitzugestalten. Nicht zuletzt bieten die meisten MINT-Abschlüsse sehr gute finanzielle Karriereperspektiven und eine hohe Flexibilität der Arbeitszeiten, insbesondere in der IT-Branche.
Mit ca. 8.200 Studierenden ist die Hochschule Heilbronn eine der größten Hochschulen für Angewandte Wissenschaften in Baden-Württemberg. Ihr Kompetenz-Schwerpunkt liegt auf den Bereichen Technik, Wirtschaft und Informatik. An vier Standorten in Heilbronn, Heilbronn-Sontheim, Künzelsau und Schwäbisch Hall bietet die Hochschule mehr als 50 Bachelor- und Masterstudiengänge an. Die Hochschule pflegt enge Kooperationen mit Unternehmen aus der Region und ist dadurch in Lehre, Forschung und Praxis gut vernetzt.
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