HHN-Professor Bernd Ole Wartlick lehrt an der Fakultät Technische Prozesse (TP).
Genau das ist die Kunst des Statistikers, hier das geeignete mathematische Modell zu finden. Als Simulationsmodell für die Corona-Prognose habe ich das sogenannte „logistische Wachstumsmodell“ verwendet.
Das logistische Wachstum verläuft in 3 Phasen: zunächst die Anfangsphase des „exponentiellen Wachstums“ danach die „Abflachung des Anstiegs“, was aber weiterhin Anstieg bedeutet, und schließlich mündet es in die „Sättigung“. In den Medien hörte ich für „Sättigung“ auch schon das Wort „Plateau“.
Es bezeichnete ursprünglich die Ausbreitung einer Bakterienpopulation, wird in der Wissenschaft aber auch für die Modellierung einer Viren-Ausbreitung verwendet. In diesem Modell vermischen sich Statistik, Mathematik und Wirtschaftswissenschaften – also genau das, was an der HHN gelehrt wird (grinst).
(Lacht). Definitiv nicht. Die Simulation ist rein mathematisch, beruht ausschließlich auf Zahlen. Diese Methode ist nicht unumstritten, denn es wird bei reiner Zahlenbetrachtung die Wirklichkeit komplett ausgeblendet. Auch für mich persönlich ist überraschend, dass die pure Zahlenspielerei in vielen Fällen sehr gut funktioniert.
Ein Ergebnis der Simulation ist, dass wir uns in Deutschland aktuell zwar noch in der Phase des „abflachenden Anstiegs“ befinden, doch das „Plateau“ ist sozusagen schon in Sichtweite. Es wird voraussichtlich um den 23. April erreicht. Dann steigt die Anzahl der Infizierten kaum noch an. Die Simulation errechnet sogar die endgültige offizielle Anzahl der Infizierten. In Deutschland wird das bei 130.000 bleiben. Ich lehne mich mit dieser Prognose und der präzisen Zahl aber auch ein wenig aus dem Fenster.
Ja. Laut Simulation war der „große Ansturm“ Ende März. Zu betonen ist allerdings, dass die schwer erkrankten Infizierten über mehrere Wochen behandelt werden müssen. Daher bleibt die Situation in den Krankenhäusern mindestens bis Mitte Mai angespannt. An dieser Stelle sei dem medizinischen Personal, Pfleger*innen, Ärzt*innen mitsamt ihrem Umfeld sehr für den großartigen Einsatz gedankt. Als Lehrender in einem Logistik-Studiengang möchte ich auch auf die tolle Leistung der Logistiker hinweisen.
Ab Ende April wird in Öffentlichkeit und Politik aufgrund stagnierender Fallzeiten die Diskussion über die Lockerungen beginnen. Meiner ganz persönlichen Meinung nach, wird es eine erste Lockerung nach dem ersten Mai-Wochenende geben.
Ja, eindeutig. Mithilfe des „k-Faktors“, kann die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Infektion zahlenmäßig erfasst werden. Je kleiner der „k-Faktor“ desto geringer der Anstieg. Für Deutschland ist der k-Faktor kleiner als in China, überraschenderweise aber größer als in Italien. Aufgrund der Maßnahmen hat sich in Deutschland der k-Faktor nach der Anfangsphase deutlich verringert. Hätte man mit den Maßnahmen noch ein, zwei Wochen gewartet, hätten wir 400.000 Infizierte gehabt, mehr als dreimal so viele, wie jetzt zu erwarten sind.
Ja, bei starker Lockerung gibt es eine zweite Welle des logistischen Anstiegs. Diese wird allerdings nicht so hoch ausfallen – unser Gesundheitssystem hat die erste Welle gut geschafft, es wird auch die nächste schaffen.
Auch hier ergibt sich der typische logistische Verlauf. Wir sind immer noch in der Phase des Anstiegs, Ende April erreichen wir das „Plateau“, also es kommen dann nur noch wenige Todesfälle hinzu. Jetzt lehne ich mich noch einmal aus dem Fenster...In Deutschland wird es bei deutlich unter 3.000 Todesfällen* bleiben.
Neben der Erfassung der Rohdaten, muss ein Tag Null definiert werden, die Wahl dieses Datums ist aber nicht so entscheidend. Mithilfe der logistischen Regression kann man nun hochrechnen. Eine Stärke dieser Simulation ist, dass die Dunkelziffer der Infizierten keine Rolle spielt.
Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Wirtschaft, Gesellschaft und unseren Alltag? Das Team der Hochschulkommunikation spricht mit Expert*innen der Hochschule Heilbronn über die Implikationen der Krise auf die unterschiedlichen Branchen.